Hollywood Drehbuchautoren und künstliche Intelligenz
Auch böse Maschinen können gute Freunde von Hollywoodautoren sein: Man denke nur an den von James Cameron erfundenen T 800, einen schier unkaputtbaren Androiden in einer menschlichen Hülle, die so aussah wie Arnold Schwarzenegger und kaum mehr als einen Satz sprach: „I‘ll be back.“
T 800 reiste aus der Zukunft durch die Zeit in unsere Gegenwart zurück, um die Frau zu töten, die bald schon den Anführer der Menschen gebären würde. Wie jeder Kinogänger weiß, hieß die Frau im Film Sarah Connor und dieser „Terminator“.
Geschickt worden war der T 800 von einer intelligenten Maschine namens Skynet, die in den Menschen eine Bedrohung für die eigene Existenz sah. Die Menschen hatten Skynet einst geschaffen, nun wollte Skynet seine Schöpfer vernichten. Die Entscheidung im Kampf Mensch gegen Maschine stand kurz bevor.
Die böse Maschine brachte Geld
Nun ja, nicht ganz: Camerons erster „Terminator“-Film war 1984 so erfolgreich, das noch eine Handvoll folgen sollte (sowie eine Fernsehserie). Die böse Maschine finanzierte die Gehälter von vielen, vielen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Hollywood.
Jetzt ist wieder so eine intelligente Maschine aus der Zukunft in unserer Gegenwart eingetroffen – und ausgerechnet Hollywoods Drehbuchautoren halten sie für so hinterhältig, dass sie diese Intelligenz einhegen wollen, wenn sie sie schon nicht komplett aus dem Weg räumen können. Ihr Name in der gängigen Abkürzung: KI.
Anfang Mai sind 11.500 Autoren der Writers Guild of America (WGA) mit einem Abstimmungsergebnis von beinahe 100 Prozent in den Streik getreten. Für sie geht es um die eigene Existenz. Ende des Ausstands: ungewiss.
Fans des „Game of Thrones“-Ablegers „House of the Dragon“ oder der Fortsetzung von „Stranger Things“ müssen nun länger auf ihre Lieblingsserie warten, weil keine Drehbücher mehr geschrieben werden. Shows von John Oliver, Jimmy Kimmel oder Stephen Colbert bekommen schon jetzt keinen Nachschub an Gags mehr geliefert, strahlen Wiederholungen aus oder pausieren ganz. Auch Kinoproduktionen wie etwa das Marvel-Vampirjägerspektakel „Blade“ sind bereits verschoben worden.
Die Autoren haben die Macht, Hollywood lahmzulegen, so wie sie es vor 15 Jahren schon einmal getan haben. Damals kostete der 100-tägige Ausstand nach Schätzungen allein die Wirtschaft der Stadt Los Angeles mehr als 2 Milliarden Dollar. Die Gewerkschaftsmitglieder erkämpften sich eine bessere Altersvorsorge und besseren Krankenschutz. Und doch ist ihre Position heute womöglich schwächer denn je.
Netflix auf Wachstum gepolt
In der Auseinandersetzung mit der Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) fordert die Gewerkschaft auch jetzt wieder eine bessere Absicherung in einem durch die Streamingdienste aus den Fugen geratenen Umfeld. Netflix und Co. waren bislang allein auf Wachstum gepolt. Ob sie horrende Verluste machten, war egal, inzwischen aber ist klar: Der Abonnentenmarkt lässt sich nicht endlos vergrößern. Die Produktion immer neuer Stoffe kostet zu viel.
Die Autorinnen und Autoren sollen den Preis für die bisherige Brachialpolitik zahlen. Vertragslaufzeiten für die schreibenden Zunft werden verkürzt, Honorare gedrückt, Schreiber und Schreiberinnen in die Selbstständigkeit gedrängt. Das vor 20 Jahren verkündete goldene Zeitalter des Fernsehens scheint in einer verheerenden Krise zu enden. Derweil kassieren die Chefs von Warner oder Netflix zig Millionen Dollar Jahresgehalt.
Aus Sicht der Autoren klingt das alles schon schlimm genug. Doch es könnte noch viel schlimmer kommen: Denn da ist noch die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz wie etwa ChatGPT. Die Folgen dieser Erfindung kann Hollywood genauso wenig einschätzen wie einst Sarah Connor die Absichten des sich mit staksenden Bewegungen nähernden T 800.
Dabei fürchten die von Haus aus auf Horrorszenarien spezialisierten Autoren und Autorinnen nicht das plötzliche Auftauchen von Killerrobotern. Sie haben Angst um ihre Jobs: Wird die KI ihnen die Arbeit wegnehmen und sie eher früher als später ganz ersetzen?
Bislang war allen Probeläufen, ein kluges Drehbuch von einer Maschine schreiben zu lassen, wenig Erfolg beschieden. Zumindest drang von gelungenen Ergebnissen nichts nach außen. Die Gewerkschaften geben sich überzeugt davon, dass nur Menschen in der Lage sind, ein genauso eloquentes wie umsetzbares Skript zu verfassen. Nur im Austausch von erfahrungsgesättigten Profis ließen sich Vorlagen entwerfen, die sich mit einem genau durchkalkulierten Budget realisieren lassen.
Schneller als ein Writers‘ Room
Diese Einschätzung mag nach Zweckoptimismus klingen. Es sind aus Sicht der Autoren aber auch noch ganz andere Optionen denkbar: Was, wenn eine schnell lernende KI mit erfolgreichen Filmvorlagen gefüttert wird und die Drehbuchautoren das Ergebnis nur noch verschönern und Drehzwängen anpassen sollen?
Werden die Autoren und Autorinnen dann noch genauso bezahlt wie für ihre Originalarbeiten? Wird ihre Kompetenz überhaupt noch gefragt sein, wenn die Maschinen immer versierter produzieren? Zudem ist ein Computerprogramm schneller als ein Autorenteam, das in einem Writers‘ Room monatelang um kreative Einfälle ringt.
Auch Musiker, Schriftstellerinnen und Journalisten fragen sich längst schon beklommen, wie sich ihre Jobs durch KI verändern werden. Einzelne Meldungen lassen aufhorchen: Jüngst hat der Burda Verlag eine Kochzeitschrift in Wort und Bild von den Programmen ChatGPT und Midjourney verfassen lassen, ohne die Leserschaft darüber zu informieren.
Da ging es um eher profane Inhalte. Doch wer weiß, welche Texte schon jetzt ungekennzeichnet im Netz kursieren, zu denen kein Journalist und keine Journalistin auch nur ein Wort beigesteuert hat? Letztlich geht es um die Definition von geistigem Eigentum, das höchste Gut in kreativen Berufen. Die Missachtung von Urheberschaft ist schwerer zu garantieren denn je – und hier geht es nicht mehr nur um abgeschriebene Doktorarbeiten.
Die Gewerkschaft möchte die Produzenten darauf verpflichten, dass KI nicht für das Verfassen von Drehbüchern verwendet werden darf. Und wenn doch, sollen allein die Autoren und Autorinnen über den Einsatz solcher Programme entscheiden dürfen.
Ob die Arbeitgeber auf ein mögliches Einsparpotenzial in bislang kaum zu definierender Höhe wirklich verzichten werden? Einer der WGA-Streikführer, der Autor und Comedian Adam Conover, hat gegenüber der „Zeit“ zu Protokoll gegeben: Bei den bisherigen Verhandlungen würden sich alle „wie Roboter“ gegenübersitzen. Die Gewerkschaften stellten Forderungen, die Arbeitgeber lehnten sie rundweg ab. Es lässt wenig Gutes hoffen für den Kampf Mensch gegen Maschine, wenn schon die Menschen wie Maschinen agieren.
Die Drehbuchautoren fechten ihren Kampf stellvertretend für andere Berufsgruppen aus. Gerade deshalb kommt ihm eine Bedeutung über Hollywood hinaus zu. Die Verbannung der KI dürfte kaum möglich sein, es geht vielmehr um einen akzeptablen Umgang mit ihr.
Momentan ist ein Happy End in Hollywood allerdings nicht in Sicht. Das war in den späteren „Terminator“-Filmen anders. Da geschah geradezu Wundersames: T 800 wandelte sich zum Beschützer von Sarah Connor und spielte noch viele Hunderte Millionen Dollar in die Kassen.