Im Westen was Neues

Kann sie Nachfolgerin von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg werden? Kaja Kallas, Estlands Premierministerin, beim letzten Nato-Gipfel im Jahr 2022 in Madrid. IMAGO/Celestino Arce Lavin
Kann sie Nachfolgerin von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg werden? Kaja Kallas, Estlands Premierministerin, beim letzten Nato-Gipfel im Jahr 2022 in Madrid. IMAGO/Celestino Arce Lavin

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

die Uhr tickt, und wenn es nicht bald eine Lösung gibt, droht der westlichen Welt eine Peinlichkeit ersten Ranges. Die Nato sucht dringend einen neuen Generalsekretär – oder, wie erstmals von vielen Regierungen gewünscht, eine Generalsekretärin.

Die 30 Regierungschefs des Bündnisses kommen Mitte Juli in Vilnius zusammen. Bis dahin musss die Neubesetzung feststehen. Amtsinhaber Jens Stoltenberg, der stoische Norweger, hatte auf Bitten der Mitgliedsstaaten schon dreimal verlängert, zuletzt wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine.

Wer aber soll es machen? Fragt man Militärs, deuten die meisten auf den Briten Ben Wallace, der fachlich am besten geeignet sei. Doch der Wunsch, erstmals eine Frau an die Spitze zu stellen, ist nicht vom Tisch.

  • Die Deutsche Ursula von der Leyen (64) könnte den Job machen, scheint ihn aber nicht zu wollen. Außerdem läuft ihre Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin erst nach der Europawahl 2024 ab. Damit wird alles ein bisschen kompliziert: Stoltenberg müsste in ihrem Fall ein viertes Mal verlängern.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz trifft heute in Tallinn eine andere starke Kandidatin: Kaja Kallas (45), Premierministerin von Estland. Allerdings gibt es in vielen westlichen EU-Staaten, auch in Deutschland, den diskreten Vorbehalt, die bei Kallas spürbare starke Feindseligkeit gegenüber Russland könne aus diplomatischen Gründen von Nachteil für das Bündnis sein.
  • Neuerdings ist auch die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen (45) im Gespräch. Sie ist einerseits eine Sozialdemokratin aus Westeuropa, andererseits „tough“ gegenüber Russland – das gilt in Nato-Kreisen als charmante Mischung. Am 5. Juni hat sie einen Termin bei Joe Biden im Weißen Haus – was derzeit die Gerüchte brodeln lässt, allen Dementis aus Kopenhagen zum Trotz.

Was bedeutet die Kandidatur von DeSantis?

Fest steht jedenfalls, dass das Bündnis künftig eine starke Führung braucht. Nicht nur der russische Angriffskrieg, auch ein erneut anschwellender amerikanischer Nationalismus könnte die Nato schon bald in eine neue Krise stürzen.

Für die Europäer bedeutet die Präsidentschaftskandidatur des US-Republikaners Ron DeSantis leider nichts Gutes. Lesen Sie dazu unsere Analyse „Gegen alte Männer, alte Medien – und Europa“.

Europa und die Nato sind für ihn kein Thema: Floridas Gouverneur Ron DeSantis, seit Donnerstag offizieller Bewerber um das Amt des US-Präsidenten. Paige Dingler

Den Ukraine-Krieg tut DeSantis als „regionalen territorialen Konflikt“ ab, um den sich doch bitte die Europäer selbst kümmern sollen. In einem historischen Moment, in dem der Westen durch das Zusammenrücken Russlands und Chinas herausgefordert ist wie noch nie, steht der 44-Jährige aus Florida für eine Neuauflage des amerikanischen Isolationismus, wie in den unheilvollen Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Die Nato übrigens erwähnte DeSantis mit keinem Wort, als er in der Nacht zum Donnerstag seine Kandidatur bekannt gab. Lieber sprach der rechtspopulistische Kulturkämpfer über aus seiner Sicht zu explizite Sexualkundekapitel in amerikanischen Schulbüchern. Den technisch verunglückten und politisch streckenweise verstörenden Auftritt von DeSantis in einer Live-Debatte mit dem Milliardär Elon Musk in einem Twitter-Space beschreibt unser USA-Korrespondent Karl Doemens.

Wir wünschen Ihnen einen guten Start in diesen Tag,

Ihr Matthias Koch



Zitat des Tages

Der derzeitige Entwurf eines europäischen KI-Gesetzes wäre eine Überregulierung. Notfalls müssen wir uns aus Europa zurückziehen.

Sam Altman,; Mitgründer der Microsoft-Tochter OpenAI, die den auf künstliche Intelligenz gestützten Sprachroboter ChatGPT betreibt

Was heute wichtig wird

United Airlines wird von heute an den Flughafen Berlin/Brandenburg täglich nonstop mit Washington, D.C. verbinden. United bietet dann als einzige Airline Nonstopflüge zwischen den beiden Hauptstädten an. Auf den heutigen ersten Abflug in Berlin um 11.10 Uhr wollen US-Botschafterin Amy Gutmann, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke miteinander anstoßen.

Nonstop in die US-Hauptstadt: Maschine der United Airlines beim Start in Berlin. Patrick Pleul

Termine des Tages

Der Bundestag kommt heute um 9 Uhr zu einer Sitzung zusammen, in der unter anderem über eine Verlängerung der Bundeswehreinsätze in Mali und im Kosovo abgestimmt wird.

Der Rockmusiker und Komponist Peter Gabriel stellt heute Abend auf der Waldbühne in Berlin sein neues Soloalbum vor. Es ist das erste von vier Konzerten in Deutschland im Rahmen einer Welttournee des früheren Frontmanns der Gruppe Genesis.

Leseempfehlungen

Dortmund hat Kohle und Stahl längst hinter sich gelassen, eins aber ist im Revier immer Kult geblieben: der Fußball. Am Samstag kann der BVB deutscher Meister werden. Das Porträt einer euphorischen Stadt und ihrer Borussia zeichnet Marco Nehmer. (+)

Die Pflegereform der Ampelkoalition wird heute im Bundestag verabschiedet. Praktisch alle Akteure halten sie für unzureichend. Immerhin aber sind diverse Entlastungen für pflegende Angehörige vorgesehen, die ab 2024 stufenweise in Kraft treten. Einen Überblick liefert Tim Szent-Ivanyi.

Aus unserem Netzwerk: Virenbefund nach Kreuzfahrt

Kreuzfahrt mit Lebensgefahr: Anita Oldenburg (75) aus Greifswald schwebte in Lebensgefahr, nachdem sie sich auf einer Flusskreuzfahrt mit Rotaviren infiziert hatte. Der Chefhygieniker an der Greifswalder Unimedizin erklärt, warum diese Erkrankung vor allem für ältere Menschen gefährlich werden kann. Die ganze Geschichte haben die Kolleginnen und Kollegen der „Ostsee-Zeitung“ aufgeschrieben (+).

Der Podcast des Tages: „Eine Halbzeit mit ...“ zum Bundesliga-Saisonfinale

„Der Tag“ als Podcast

Die News zum Hören


Abonnieren Sie auch

Krisen-Radar: Konflikte, Kriege, Katastrophen – analysiert von Can Merey, jeden Mittwoch neu.

Klima-Check: Erhalten Sie die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Klimawandel – jeden Freitag neu.

Unbezahlbar: Wertvolle Tipps und Hintergründe rund ums Geld – immer mittwochs.

Hauptstadt-Radar: Persönliche Eindrücke und Hintergründe aus dem Regierungsviertel. Immer dienstags, donnerstags und samstags.

Das Leben und wir: Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

What‘s up, America? Der USA-Newsletter liefert Hintergründe zu den Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur – jeden zweiten Dienstag.

Das Stream-Team: Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.


Mit RND.de, dem mobilen Nachrichtenangebot des RedaktionsNetzwerks Deutschland, dem mehr als 60 regionale Medienhäuser als Partner angehören, halten wir Sie immer auf dem neuesten Stand, geben Orientierung und ordnen komplexe Sachverhalte ein – mit einem Korrespondentennetzwerk in Deutschland und der Welt sowie Digitalexperten aller Bereiche.

Mehr zum Thema

Unternehmen in unserer Region



X