Lars Stindl vor letztem Spiel: „Sie werden hoffentlich sagen: Der Stindl war ein guter Typ“
Mit dem Spiel gegen den FC Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr, Sky) ist für Lars Stindl nach acht Jahren bei Borussia Mönchengladbach – davon sieben als Kapitän – Schluss. Der 34-Jährige lässt seine Karriere in der Heimat beim Zweitligisten Karlsruher SC ausklingen.
Herr Stindl, Ihr Wunsch für den letzten Auftritt?
Ich freue mich einfach darauf, es zu genießen im Borussia-Park, das versuche ich schon seit ein paar Wochen. Und darauf, noch mal mit den Jungs auf dem Platz zu stehen. Ansonsten ist die Erwartungshaltung gar nicht so groß. Es ist schön, dass so viele Freunde und meine Familie kommen.
Ob in Karlsruhe, beim DFB, in Hannover oder Gladbach: Niemand verliert ein schlechtes Wort über Sie. Wieso ist das so?
Grundsätzlich fühlt es sich einfach schön an, wenn honoriert wird, was man für den Verein geleistet hat. Das macht einen schon stolz, und ich weiß, dass es besonders ist. Ich hatte überall eine gute Zeit, bei Borussia habe ich mich von der ersten Sekunde an unglaublich wohlgefühlt, es war ein „perfect match“. Ich glaube, dass es in Gladbach auch so gut gepasst hat, weil wir uns beide zeitgleich weiterentwickelt haben und ich dadurch auch immer mit der erfolgreichsten Zeit in der jüngeren Vereinsgeschichte verbunden bleibe. Zudem habe ich immer versucht, die Werte des Klubs zu leben. Du kannst viel predigen, aber musst es auch umsetzen. Das habe ich versucht auf meine Art und Weise – ich glaube, das honorieren die Leute.

Es gab auch schwierige Zeiten wie aktuell. Haben Sie mal gezweifelt?
Nein. Natürlich macht man sich dann etwas mehr Gedanken, auch persönlich. Gerade, wenn sich gravierende Dinge im Verein verändern und in meiner Funktion als Kapitän. Aber man hat sich hier immer darauf besonnen, dort gemeinsam durchzugehen. Auch die jetzige Phase ist nicht ganz einfach, das ist unbestritten.
Sorgen Sie sich um die Borussia?
Nein, weil das Wissen in der Truppe und im Klub vorhanden ist, dass sich das eine oder andere ändern muss. Aber wir dürfen auch nicht durchdrehen, sondern müssen uns vor Augen führen, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass solche Dinge immer passieren können – erst recht nach erfolgreichen Phasen. Wichtig ist, dass man selbstkritisch damit umgeht, die richtigen Schlüsse zieht. Weil das Potenzial, welches dieser Klub besitzt, einfach überragend ist: ob von der Mannschaft oder der Infrastruktur, von den Fans ganz zu schweigen. Das ist ein großes Faustpfand, das müssen wir wieder mehr nutzen. Das wissen hier alle.
Ihre größte Enttäuschung?
Weil es in der Gladbach-Zeit passiert ist, natürlich die verpasste WM-Teilnahme 2018. So eine Chance bekommst du als Lars Stindl nur einmal im Leben. Mit dem Klub hätte ich schon gerne ein dickes Ausrufezeichen gesetzt mit einem Titel. Wir waren zweimal kurz davor, im DFB-Pokal und in der Europa League. Das hat schon wehgetan. Persönlich sind es auch Abgänge von Managern oder Trainern. Was beispielsweise rund um das Ende von Marco Rose los war, was es da an Gerüchten und wilden Geschichten gab, war auf andere Art und Weise ebenfalls enttäuschend.
Ihr Highlight hätten Sie sich vermutlich gerne zum Abgang gewünscht?
Klar wäre es schön gewesen, den Jungs noch mal Europa zu schenken – weil ich weiß, wie geil diese Reisen mit Borussia sind. Aber ich hatte hier so viele Höhepunkte, die ich gar nicht alle aufzählen kann – ob der Dreierpack in Florenz, das Jahrhundertspiel beim 5:0 gegen Bayern, die Partie gegen Manchester City. Am meisten bleiben werden aber trotzdem andere, interne Dinge. Ganz viele tolle Abende als Team. Im Trainingslager, wo der Coach dann auch mal nicht Bescheid wusste.
So was gibt es tatsächlich noch?
(lacht) Es ist weniger geworden, aber es passiert noch – und das ist aus meiner Sicht auch gut so. Weil es Erfahrungen sind, die jeder machen muss, auch wenn es zu dem Zeitpunkt vielleicht absolut dumm ist. Ich erinnere mich auch gerne an einen Abend hier im Borussia-Park.
Wir sind gespannt…
Nach dem letzten Heimspiel unter Marco Rose war die Enttäuschung eigentlich unglaublich groß, weil wir 1:2 gegen Stuttgart verloren haben. Aber danach saßen wir noch sehr, sehr lange zusammen mit allen – wegen Corona waren wir hier im Hotel untergebracht und unter uns. Es war total intim und schön. Auch das sind Momente, die bleiben.
Ihr bester Mitspieler in Gladbach?
Granit Xhaka war ein absoluter Topmann, Andreas Christensen sammelt einen Titel nach dem anderen. Und ich habe es geliebt, mit Oscar Wendt auf dem Platz zu stehen, weil er diese skandinavische Mentalität hatte. Du wusstest immer, was du kriegst, dass du dich auf ihn verlassen konntest. Und dass es am nächsten Tag weitergeht, egal was vorher war. Aber der Genialste war Raffael – der einzige seriöse Brasilianer (lacht). Was er mit dem Ball gemacht hat, war unfassbar.

Wie viele würden sagen, dass Sie ihr bester Mitspieler waren?
Xhaka und Christensen auf keinen Fall, Oscar hat mit Ibrahimovic gespielt – das könnte auch eng werden (lacht). Aber sie werden hoffentlich sagen: Der Stindl war ein guter Typ.
Sehen wir Sie eines Tages auf der Trainerbank oder im Management?
Ich möchte mir das offenhalten, überall mal reinschnuppern. Ich liebe den Fußball nach wie vor, und mich interessiert alles in der Branche, auch wenn ich nicht jede Entwicklung gutheiße. Ich möchte mich einbringen und meine Erfahrungen weit ergeben. Ich werde dem Fußball ganz sicher erhalten bleiben.