Warum die Meisterschale und der DFB-Pokal immer an die Weser zurückkehren

Woher stammen die ikonischen Trophäen des deutschen Vereinsfußballs und wer sorgt dafür, dass sie so gut erhalten bleiben?.
Woher stammen die ikonischen Trophäen des deutschen Vereinsfußballs und wer sorgt dafür, dass sie so gut erhalten bleiben?.

Von der Allianz Arena bis zum Marienplatz in München sind es mit dem Mannschaftsbus knapp 13 Kilometer. Ein Weg, der für die Deutsche Meisterschale und den DFB-Pokal Routine sein sollte. 32-mal gewann der FC Bayern die Deutsche Meisterschaft, 20-mal den Pokal. Der Weg vom Dortmunder Westfalenstadion bis zum Borsigplatz ist nur knapp fünf Kilometer lang. Bevor die Trophäen bei der Triumphfahrt durch die Großstädte den Fans präsentiert werden können, haben sie jedoch einen viel weiteren Weg hinter sich gebracht.

Dieser Weg startet in Bremen. Hier stellt die Silbermanufaktur Koch & Bergfeld Corpus offizielle Repliken der begehrten Trophäen her. Die Firma um Geschäftsführer Florian Blume ist offizieller Vertragspartner der Deutschen Fußball-Liga und des Deutschen Fußballbundes und hat in der entscheidenden Phase einer Saison besonders viel zu tun. Denn was kaum jemand weiß: Von den großen Trophäen des Vereinsfußballs gibt es Nachbildungen. Sie ähneln den Originalen, die die meiste Zeit im Tresor verharren, so sehr, dass Original und Replikat für das ungeschulte Auge kaum zu unterscheiden sind.

„Von jeder Trophäe gibt es eine offizielle Nachbildung. Die ist dazu da, um das Original zu schützen“, erzählt Blume, der seit 2005 die Manufaktur leitet. „Vor allem vor Beschädigungen. Die übrigen Repliken, die wir bauen, sollen Fans und Vereinen in allererster Linie Freude bereiten.“ Beispielsweise in Museen oder Ausstellungen. Die echten Trophäen erblicken nur einmal im Jahr das Tageslicht – zu den Endspielen der jeweiligen Wettbewerbe.

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In einem solchen Endspiel gipfelt jedes Jahr auch der DFB-Pokal. In Bremen steigt dann die Spannung. Die Silbermanufaktur kümmert sich nämlich nicht nur um Nachbau und Aufbereitung der Trophäe für den siegreichen Verein, sondern auch um die Gravur des originalen Pokals, die nach Abpfiff in den Katakomben des Berliner Olympiastadions vorgenommen wird.

„Das löst jedes Jahr aufs Neue Herzklopfen und Aufregung aus. Vor dem großen Finale müssen wir Proben erstellen und sichergehen, dass auch alle Geräte funktionieren“, erzählt Geschäftsführer Blume. Neben der originalen Trophäe wird auch die einzig originalgetreue Nachbildung des DFB-Pokals graviert. „Es gibt ein Replika des Pokals, das originalgroß ist und exakt so aussieht wie das Original“, verrät Blume. Nach dem Gewinn des Wettbewerbs geht der Nachbau für ein halbes bis Dreivierteljahr zum Deutschen Pokalsieger.

Die großen Trophäen in ihre Einzelteile zerlegt

Für den Nachbau sind die zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Werkstatt von Koch & Bergfeld Corpus zuständig. Dort fallen dem Betrachter in der Tageslicht-durchfluteten Halle zahlreiche Exemplare des DFB-Pokals in allen möglichen Arbeitsstadien und immer wieder Einzelteile der deutschen Meisterschale ins Auge. Als wäre ein Hurrikan durchs FC-Bayern-Vereinsmuseum gefegt und hätte die Ausstellungsstücke in Einzelteile zerlegt.

Doch in der „Gläsernen Manufaktur“ hat das, was wie ein großes Durcheinander wirkt, Hand und Fuß. Am Ende entsteht ein Produkt, das auch den kritischen Blicken von Werkstattleiter Stefan Sieben genügt. „Das ist schon ein großartiges Gefühl. Irgendwann stehen die ganzen Repliken in Museen und in Fußballarenen rund um die Welt“, sagt Sieben, der im vergangenen Jahr seine 40-jährige Betriebszugehörigkeit feierte. Vor seinem Regal mit geschätzten 2000 Formen und Vorlagen aus Schichtholz, Stahl und Kunststoff erzählt er, wie ein solcher Pokal seine lange Reise durch die Republik in Bremen beginnt.

Egal wer die Deutsche Meisterschale oder den DFB-Pokal gewinnt, die großen Trophäen des deutschen Vereinsfußballs kommen immer wieder zurück nach Bremen.

Bestellt ein Verband oder Verein die Nachbildung einer Trophäe, beginnt die Fertigung beim Metalldruck. Hier werden die Pokale und Meisterschalen in ihre Grundform, den Korpus, gepresst. Der „Drücker“ fertigt die typische Pokalform dabei aus einer ausgeschnittenen Metallplatte. Dies geschieht mit Hilfe einer Presse und einer der Vorlagen aus dem Regal. Das Metall schmiegt sich nach jedem Schritt etwas weiter an die Vorlagenform an, bis am Ende ein Korpus entsteht, der in seiner Grundform einem Metallbecher gleicht. Beim „Drücken“ entsteht – wie in den anderen Bereichen der Werkstatt – alles in Handarbeit. Da kommt es schon mal vor, dass sich Unreinheiten im Metall auftun. Auf die Ausbesserung dieser Unreinheiten ist Silberschmied Martin Wagner spezialisiert. Seit vier Jahren arbeitet er in der Bremer Überseestadt und hat in dieser Zeit auch schon die originale Meisterschale und den DFB-Pokal aufbereitet. Bevor sich die Saison dem Ende zuneigt, werden die wertvollen Originale nach Bremen geschickt. „Das ist dann schon etwas Besonderes“, sagt Wagner. Dabei interessiert ihn der Fußball gar nicht so sehr, verrät er. Kirchenhistorische Gegenstände fände er interessanter.

Sein aktueller Auftrag kommt aus China und steht normalerweise in der Vitrine einer Asien-Ausstellung des FC Bayern München. Diese Pokal-Nachbildung entstand einst in Bremen und ist nun zur Aufbereitung zurück an ihrer Geburtsstätte. Mit der Zeit hat der Pokal ein paar Beulen abbekommen. „Das kann beim Transport passiert sein. Vielleicht ist der Pokal auch einfach runtergefallen – das kommt häufiger vor“, sagt Wagner und spannt den DFB-Pokal auf das sogenannte Eisen. Hier werden die Unebenheiten mit verschiedenen Werkzeugen aus dem versilberten Messing geklopft. „Manchmal reicht der einfache Holzhammer, ab und zu muss aber auch mal ein bisschen mehr passieren“, erklärt er. Kaum ausgesprochen, greift der Silberschmied zum Eisenhammer. Das metallene Hämmern ist in der gesamten Werkstatt zu hören. Nach dem Planieren glättet Wagner die zuvor zerbeulte Stelle mit einem Streifen Schmirgelpapier. „Damit kann man leben“, sagt er zufrieden zu sich selbst, und pustet dann die Messingspäne auf den Werkstattboden.

Ein Entspannungsbad in Feingold

Nachdem die Beulen verschwunden sind, geht es in die Vorpolitur und anschließend in die Galvanik. So nennen Fachleute die Station, bei der die Oberfläche veredelt wird. In diesem Fall wird das Messing, aus dem der nachgebaute DFB-Pokal besteht, zunächst versilbert. Anschließend erhält die Trophäe im Feinvergoldungsbad ihre goldene Färbung. Auch die Repliken werden in Bremen mit echtem Feingold überzogen. „Besser geht es nicht“, sagt Geschäftsführer Blume. Der originale DFB-Pokal besteht im Gegensatz zu den Nachbildungen aus feuervergoldetem Sterlingsilber, das anschließend mit 250 Gramm Feingold überzogen wurde. Auf Anfrage werden die Nachbildungen allerdings auch aus den Originalmaterialien hergestellt, wie der Geschäftsführer verrät. Einzige Vorgabe dabei ist, dass die Nachbildungen DFB-Regularien zufolge mindestens zehn Prozent kleiner sein müssen. Das gilt auch für Repliken der Deutschen Meisterschale. So stellen die Verbände sicher, dass das Original auch in Zukunft zu unterscheiden ist – zumindest für Expertinnen und Experten.

Zurück in die Werkstatt: Nachdem die Trophäe ihre Veredelung erhalten hat, geht es für den finalen Glanz zur Politur. „Wir machen die dreckige Arbeit, um am Ende ein sauberes Produkt zu haben“, sagt Polierer Michael Durawa und zeigt seine schwarz-gefärbten Hände. „Das geht nach dem zweiten Waschen schon weg“, ergänzt er und lacht.

Von der ersten Anfrage bis zum Versand der Trophäen dauert es zwölf bis 16 Wochen. Die fertigen Pokale werden dann mit vielen anderen Nachbildungen im Tresorraum verwahrt. Hier stehen allerdings nicht nur Meisterschalen und DFB-Pokale. In einem der Regale lassen sich beispielsweise einzelne Komponenten des DFL-Supercups erkennen. Auch um diese Nachbildungen kümmert sich die Firma. „Das kommt aber eher selten vor“, sagt Silberschmied Wagner. Dann deutet er auf eine Holzablage, auf der mehrere frisch-polierte Sockel des DFB-Pokals stehen. Eine Etage tiefer stehen die restlichen Elemente, die auf die Sockel montiert und hinterher mit Edelsteinen verziert werden. Das ist das Kerngeschäft.

Die Trophäen kommen immer wieder nach Bremen zurück

Spätestens am 3. Juni, wenn RB Leipzig und Eintracht Frankfurt im Berliner Olympiastadion um den DFB-Pokal kämpfen, müssen die Bremer Silberschmiede den Pokal wieder zusammengesetzt haben. Auch die Gerätschaften für die Gravur sollten dann geprüft und zusammen mit dem hauseigenen Graveur in die Hauptstadt geliefert worden sein. Bleibt die Frage, wer den Pokal in Berlin seinen Fans präsentieren kann. Leipzig oder Frankfurt? Klar ist: Nach Bremen kommt das gute Stück irgendwann wieder zurück.

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