Vor 85 Jahren wird der Grundstein für das Volkswagenwerk gelegt.
Es ist ein Propagangcoup der Nationalsozialisten: Am 26. Mai 1938 fand die Grundsteinlegung des Volkswagenwerks im heutigen Wolfsburg statt. Von den Nationalsozialisten als Propagandaspektakel inszeniert, gingen die Bilder dieser politischen Inszenierung um die Welt. Mehr als 50.000 Menschen besuchten das Großereignis, das im kollektiven Gedächtnis bis heute präsent ist und oft fälschlich für den Gründungsakt des Unternehmens oder gar der Stadt Wolfsburg gehalten wird. Der Ort des Geschehens war nahe der kleinen Stadt Fallersleben auf einem Gelände neben dem erst kurz zuvor fertiggestellten Mittellandkanal. Zwischen dem Dorf Sandkamp und dem Schloss Wolfsburg sollte das Hauptwerk zum Bau des Volkswagens entstehen.
„Am Donnerstag, dem 26. Mai 1938, um 13 Uhr, wird auf dem Werkplatz bei Fallersleben der Grundstein zum Volkswagenwerk gelegt. Zur Teilnahme an dieser Feier lade ich Sie hiermit herzlich ein.“ Mit dieser schlicht formulierten Einladungskarte kündigte Robert Ley, Leiter der Organisation „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF), eine der größten medialen Inszenierungen der nationalsozialistischen Propaganda an.
Grundsteinlegung lockt mehr als 50.000 Menschen an
Planung und Organisation der Grundsteinlegung kamen einem Staatsakt gleich, denn niemand anderes als Reichskanzler Adolf Hitler sollte den Grundstein legen. Für Hitler war der Volkswagen ein Prestigeobjekt, denn mehrfach hatte er zuvor die Massenmotorisierung des deutschen Volkes vollmundig angekündigt. Der Tag der Grundsteinlegung war von den Medien über Monate vorher angekündigt worden und erzeugte besonders in der Region eine große Erwartungshaltung. Zeitungen hatten nichts Geringeres als die „größte, schönste und sozialste Industrieanlage“ angekündigt und den 26. Mai 1938 angesichts des Führerbesuches als das für die Gegend „größte Ereignis freudigen Charakters seit Jahrhunderten“ ausgerufen.

Die umliegenden Städte und Dörfer bereiteten sich sorgfältig darauf vor, Häuser wurden frisch gestrichen und mit Girlanden und Hakenkreuzfahnen geschmückt. Menschen aus dem gesamten Reichsgebiet folgten dem Aufruf und reisten mit Sonderzügen, Bussen, Autos und Motorrädern oder per Fahrrad und zu Fuß an. Insgesamt kamen mehr als 50.000 Menschen nach Fallersleben.
Die Gesamtverantwortung für das Projekt trug die DAF, der nach Auflösung der freien Gewerkschaften gegründete Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der Ablauf des Tages war minutiös im Propagandaministerium in Berlin geplant worden. Hitler verkündete am 26. Mai 1938 überraschend auch, dass das Fahrzeug „KdF-Wagen“ statt Volkswagen heißen soll. Eine sprachliche Verbeugung vor der zur DAF gehörigen Unterorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF). Diese stellte den „KdF-Wagen“ künftig in den Mittelpunkt ihrer Propaganda.

So wie die Autobahn war aber auch der Volkswagen keine eigene Idee der Nationalsozialisten. Schon seit dem frühen 20. Jahrhundert begeisterte die Idee der individuellen Mobilität die Menschen. Als eine Folge der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre war der Gedanke eines preisgünstigen Autos für die breite Bevölkerung immer wieder von Automobilkonstrukteuren aufgegriffen worden. Unter ihnen auch Ferdinand Porsche, der am 17. Januar 1934 dem Reichsverkehrsministerium sein „Exposé betreffend den Bau eines Deutschen Volkswagens“ übergab. Und mit seinem Vorschlag bei den Nazis Anklang fand.
Eigentliches Gründungsdatum Volkswagens ist der 28. Mai 1937
Entgegen der ersten Überlegung, den Volkswagen von den deutschen Automobilherstellern gemeinsam bauen zu lassen, beschloss die Reichsregierung am 4. Juli 1936 den Bau eines eigenständigen Volkswagenwerks. Am 28. Mai 1937 formierte sich schließlich die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“, kurz „Gezuvor“. Dieses Datum der Handelsregistereintragung gilt heute als die Gründung des Unternehmens Volkswagen. Als einer der drei Geschäftsführer der „Gezuvor“ hatte Ferdinand Porsche den Auftrag für die Planung der zukünftigen Produktionsstätte. Aus diesem Grund besuchte er 1936 und 1937 die USA, um in den Fabrikanlagen von Detroit die Massenfabrikation von Automobilen zu besichtigen. Daher ist es kein Zufall, dass die Pläne des Volkswagenwerks in vielen Details dem damals hochmodernen River Rouge Complex von Ford ähneln. Die Erwartungen an das Projekt waren hochgesteckt. Der nationalsozialistische „Musterbetrieb“ sollte nicht weniger als 1,5 Millionen Fahrzeuge im Jahr produzieren.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist das Werk weitgehend ein Rohbau
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges befand sich das geplante Werk aber noch weitgehend im Rohbau, nur vier Hallen sowie das Kraftwerk waren fertiggestellt worden. Die ab 1939 von der Unternehmensleitung aktiv betriebene Eingliederung in die NS-Rüstungsproduktion resultierte schließlich in systematisch organisierter Zwangsarbeit. 1943/44 setzte sich die Belegschaft des Volkswagenwerks zu rund 80 Prozent aus Deportierten der besetzten Länder, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen zusammen. Anstatt des zivilen „KdF“-Wagens“, von dem bis Kriegsende nur 630 Einheiten entstanden sind, produzierten sie Kriegsgerät. Zwischen 1939 und 1945 entstanden im Volkswagenwerk fast 65.000 Kübel- und Schwimmwagen, hinzu kamen diverse andere Rüstungsaufträge von der Tellermine bis hin zu Bauteilen für die Flugbombe V1.
Die Geschichte der Marke Volkswagen beginnt erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Übernahme der treuhänderischen Verantwortung für das Werk und die Stadt durch die britische Militärregierung begann im Juni 1945 eine neue Epoche. Erst mit dem Auftrag zum Bau von 20.000 Volkswagen Limousinen nahm die Volkswagenwerk GmbH unter Leitung von Major Ivan Hirst die zivile Produktion des nun Typ 1 genannten Volkswagens auf.